Station 06 – Rosa-Luxemburg-Straße 19/21: Die Leipziger Volkszeitung

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In der Rosa-Luxemburg-Straße 21 befanden sich seit 1910 die Räumlichkeiten der Leipziger Volkszeitung (LVZ). In dieser einflussreichen Publikation der Arbeiter*innenbewegung wurden vor allem die Positionen des linken Flügels der Sozialdemokratie vertreten. Heute befindet sich hier die Regionalgeschäftsstelle der SPD.

Die lange Tradition der Arbeiterpresse in Leipzig

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Leipzig zu einem der Zentren der deutschen Arbeiter*innenbewegung. Während in der Anfangszeit zunächst Bildungsvereine eine zentrale Rolle spielten, gewannen mit der Zeit Gewerkschaften und der 1863 ebenfalls in Leipzig gegründete Allgemeine deutsche Arbeiterverein (ADAV) an Bedeutung. Für die Agitation der Arbeiter*innen und um sie mit Informationen zu versorgen, war es notwendig eine eigene Zeitung zu gründen.

Als Vorgänger der Leipziger Volkszeitung kann Der Vorwärts – Central-Organ der Sozialdemokratie Deutschlands, bezeichnet werden. Nach der Fusion des ADAV mit der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) zur SPD im Jahr 1875, erschien die Zeitung ab 1876 in Leipzig drei Mal pro Woche. (1) Leiter der Zeitung war unter anderem Wilhelm Liebknecht, einer der SDAP-Gründer und Vater Karl Liebknechts. Das Sozialistengesetz von 1878 verhinderte allerdings das weitere Erscheinen des Vorwärts und er sollte offiziell erst 1891 in Berlin wieder erscheinen

Die Gründung der LVZ

Mit dem Anwachsen der Arbeiter*innenbewegung in Leipzig wuchs auch der Wunsch, wieder eine eigene Zeitung herauszugeben. Daher gründete sich 1894 die Leipziger Volkszeitung als lokales Presseorgan der SPD. In der ersten Zeit waren Redaktion und Druckerei ganz in der Nähe, in der Hans-Poeche-Straße 7 (ehemals Mittelstaße), untergebracht. Im Jahr 1910 wurden die neuen Räume in der Rosa-Luxemburg-Straße 19-21 (ehemals Tauchaer Straße) bezogen. [1]</>

Ende September 1894 wurden die ersten Probeexemplare gratis verteilt und ab dem 1. Oktober regelmäßig im Umfang von 12 bis 14 Seiten. Unter dem ersten Chefredakteur Bruno Schönlank erreichte die Auflage bereits 50.000 Exemplare. Unter seiner Leitung entwickelte sich die LVZ zu einer modernen Zeitung, in der weniger Agitation als Information im Vordergrund stand. Dennoch waren die starke Anbindung an die Arbeiter*innenbewegung und die vehemente Kritik an sozialen und ökonomischen Missständen Anlässe für eine polizeiliche Beobachtung des Mediums.

1901 übernahm Franz Mehring Schönlanks Posten. Rosa Luxemburg war im Jahr 1902 ebenfalls in der Redaktion der Zeitung aktiv, verließ sie aber schon nach drei Monaten aufgrund inhaltlicher Verwerfungen mit anderen Angestellten. Dennoch erschienen auch weiterhin Artikel von ihr in der Zeitung. Die LVZ blieb weiterhin Sprachrohr des linken SPD-Flügels. Ab 1914 wurden zahlreiche Artikel mit pazifistischem Inhalt veröffentlicht. Die Autor*innen kritisierten vor allem die SPD, die mit ihrer Zustimmung zu den Kriegskrediten den I. Weltkrieg mit ermöglichten. Die Haltung gegen diese „Burgfriedenspolitik“ erhielt die LVZ auch weiterhin gegen die Mehrheit der Sozialdemokraten aufrecht. [3] Die Spannungen in der Sozialdemokratie wuchsen im Laufe des Krieges weiter an. Als es 1917 zur Spaltung der Partei kam, ging die LVZ in den Besitz der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) über, die sich von der Mutterpartei abgespalten hatte. Nach der Wiedervereinigung der Schwesterparteien 1922 war die LVZ wieder ein Presseorgan der SPD. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialist*innen Ende Januar 1933 wurde die Zeitung verboten und musste ihr Erscheinen einstellen.

Nach dem Ende des II. Weltkriegs zog die Redaktion und Druckerei der LVZ auf das Gelände der ehemaligen Konkurrenzzeitung Leipziger Neuste Nachrichten, die verboten und enteignet worden war. Auf diesem Gelände am Petersteinweg befindet sich die Redaktion bis heute. Von 1946 erschien sie als Presseorgan der SED-Bezirksleitung Leipzig. Das Gebäude in der Rosa-Luxemburg-Straße diente als Lenin-Gedenkstätte.

Seit der Wiedervereinigung erscheint die LVZ wieder als unabhängige Zeitung. Das ehemalige Redaktionsgebäude wird mittlerweile von der SPD als Regionalgeschäftsstelle genutzt.

 

Quellen

[1] Franz Osterroth, Dieter Schuster: Chronik der deutschen Sozialdemokratie, Hannover 1975, S. 50.

[2] Kurt Hanke (Hrsg.): Sechzig Jahre Leipziger Volkszeitung. Leipzig 1954.

[3] https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/150165/1/0/ [21.04.2021]

Benjamin Männel