Station 07 – Braustraße 15: Das Liebknecht-Haus im Wandel der Zeiten

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Am 13. August 1871 in der damaligen Braustrasse 11 als zweiter Sohn von Wilhelm Liebknecht geboren, ging Karl Liebknecht erst relativ spät in die Politik. Nach der juristischen Ausbildung nahm er im Mai 1899 seine Tätigkeit als Rechtsanwalt in Berlin auf. Schnell wurde der revolutionäre Sozialist ein von den Richtern gefürchteter Verteidiger. Ab 1901 aber auch ein rebellischer Parlamentarier, der sich von der Klassenjustiz im Kaiserreich nicht zum Schweigen bringen ließ. Trotz seiner Verurteilung vor dem Leipziger Reichsgericht im Oktober 1907 zu 18 Monaten Festungshaft ging Liebknecht unbeirrbar seinen Weg als ein führender Vertretern des linken Flügels der SPD vor dem Ersten Weltkrieg weiter. Ab 1914 kämpfte er zusammen mit Rosa Luxemburg, Franz Mehring, Leo Jogiches u.a. im Spartakusbund konsequent gegen den Krieg. In der Novemberrevolution gründete er an der Jahreswende 1918/1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) mit. Am 15. Januar 1919 wurde er zusammen mit Rosa Luxemburg mit politischer Rückendeckung des SPD-Kriegsministers Gustav Noske von rechtsradikalen Freikorpssoldaten brutal ermordet.

Das Liebknecht-Haus in der Braustraße        

Für den bahnbrechenden Aufbruch der sozialistischen Arbeiter*innenbewegung nach der niedergeschlagenen Revolution von 1848/49 besaß keine Stadt größere Bedeutung als Leipzig. Hier hatte sich bis zum Verbot im Jahre 1850 der Sitz der „Arbeiterverbrüderung“ befunden und war im Mai 1863 unter Führung von Ferdinand Lassalle der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) in Leipzig gegründet worden – die auch im internationalen Maßstab erste sozialistische Arbeiterorganisation nach der Reaktionszeit. Und hier wirkte der weit über Leipzig hinaus bedeutsame Arbeiterbildungsverein, der unter Führung von August Bebel und Wilhelm Liebknecht zum Motor des historischen Radikalisierungsprozesses wurde.1869 mündete diese in die „Eisenacher“ Partei, aus der 1875 wiederum die Sozialistische (ab 1890 Sozialdemokratische) Partei Deutschlands (SPD) hervorging.

Aus der damaligen Zeit sind weder das Gründungslokal des ADAV noch die Drechslerwerkstatt oder Wohnung von August Bebel überliefert. Als seltene Ausnahme ist – trotz schwerer Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg – allein das „Liebknecht-Haus“ in der Braustrasse 15 (damals 11) überliefert, das erstmals 1859 im Leipziger Adressbuch auftauchte. Nahezu anderthalb Jahrzehnte, vom 1. April 1867 bis Ende Juni 1881, wohnte Wilhelm Liebknecht mit seiner Familie in der Parterrewohnung des dreistöckigen Hauses. Das Domizil des Arbeiterführers war zugleich viele Jahre direktes Aktionszentrum und politischer Brennpunkt der „Bebel-Liebknechtschen Richtung“. So ist das Liebknecht-Haus gegenständliches Zeugnis für eine überaus entscheidungsvolle Entwicklungsperiode im Werden der sozialistischen Arbeiter*innenbewegung Deutschlands.

Ende Juni 1881 wurde über Leipzig der kleine Belagerungszustand verhängt und Wilhelm Liebknecht, August Bebel und andere führende Sozialdemokraten aus der Stadt ausgewiesen. Liebknecht fand in Borsdorf bei Leipzig Unterkunft und seine Frau Nathalie bezog mit den fünf Söhnen eine kleinere Wohnung am damaligen Südplatz 11 (heute Karl-Liebknecht-Straße 69), in der die Familie bis 1890 wohnte.

Das Haus im Wandel

Die leidliche Intaktheit des Gebäudes nach dem Zweiten Weltkrieg und die veränderten politischen Umstände gaben erstmals Gelegenheit, auf die große Bedeutung des Hauses für die Geschichte der deutschen Arbeiter*innenbewegung aufmerksam zu machen. Anlässlich des 75. Geburtstages von Karl Liebknecht am 13. August 1946 weihte Wilhelm Pieck, mit Otto Grotewohl einer der beiden Vorsitzenden der vier Monate zuvor gegründeten Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) eine – heute im Innern des Gebäudes angebrachte Gedenktafel ein.

Am 13. August 1953 wurde das wieder aufgebaute und nunmehr zum Museum umgewandelte „Karl-Liebknecht-Haus“ der DDR-Öffentlichkeit als eine der ersten Erinnerungsstätten an die revolutionäre deutsche Arbeiter*innenbewegung übergeben. Nomen est omen war die Ausstellung aber fast gänzlich auf Leben und Werk Karl Liebknechts beschränkt. Im Vorfeld von Liebknechts 100. Geburtstag erfolgte 1970/71 parallel zur Rekonstruktion des Hauses auch eine Neugestaltung der Gedenkstätte, die allerdings die dogmatische Enge des Geschichtsbildes der 1950er und 1960er Jahre kaum überwinden konnte. Weiterhin war die Ausstellung völlig auf Karl Liebknecht fokussiert, dessen Biografie in fünf Räumen im Erdgeschoss durch die Einbeziehung zeitgenössischer Möbel zumindest etwas detailgetreuer als bislang vermittelt wurde.

Im Zuge der dramatischen Ereignisse im Herbst 1989 verlor das Liebknecht-Haus spürbar an Bedeutung. Ohne ausdrücklichen Beschluss der Behörden wurde Ende 1991 die Ausstellung geschlossen; die Bestände gelangten weitgehend in den Fundus des Stadtgeschichtlichen Museums (SGM). Im Jahr 1996 gelang es dem damaligen PDS-Stadtvorstand nach intensiven Verhandlungen mit der Stadtverwaltung, dass die parteieigene Immobiliengesellschaft VULKAN das Gebäude kaufen und damit einen wichtigen historischen Ort aus der Konstituierungsphase der deutschen Arbeiter*innenbewegung retten konnte. Mit dem Einzug des Leipziger PDS-Stadtverbandes im Jahr 1998 (seit 2007 DIE LINKE) erfolgte die Umbenennung der Braustasse 15 in „Liebknecht-Haus“ und in Kooperation mit dem SGM die Neugestaltung einer kleinen Gedenkstätte. Diese beherbergt neben mehreren Schautafeln zur Geschichte der deutschen Arbeiter*innenbewegung die Schreibmaschine von Karl Liebknecht und eine Weste von ihm. Letztere ist ein Geschenk der beiden Enkeltöchter Maja-Karla und Marianne Liebknecht, die schon öfter im Geburtshaus ihres Großvaters zu Gast waren.

Dr. Volker Külow